Familien im Brennpunkt von COVID19

Eisenstadt, 22. 1. 2021

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Armut

Armut und Bildung werden in der Regel vererbt. Die Corona-Krise hat diese Ungleichheiten erstmals für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht! Aktuell sind in Österreich, dem drittreichsten Land der EU, 19% der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre von Armut und Ausgrenzung betroffen. Das sind 303.000 Kinder, jedes 5. Kind in Österreich. Im Burgenland gibt es 6.000 armutsgefährdete Kinder. Jedes einzelne Kind ist eines zu viel! Besonders oft betroffen sind Kinder von alleinerziehenden Müttern oder Vätern und Kinder, die mehr als zwei Geschwister haben.

Umfrage Sommer

Die COVID-19 Krise hat die Situation noch weit schlimmer gemacht. Die Volkshilfe startete eine Umfrage unter armutsbetroffenen Eltern. Mehr als Dreiviertel aller Befragten (79 Prozent) gaben an, sich jetzt noch mehr Sorgen über die Zukunft zu machen. Über die Hälfte (55 Prozent) sorgen sich, dass ihre Kinder in der Schule nicht gut abschließen werden. Auf die Hälfte der befragten Familien (51 Prozent) hat sich die Corona-Krise finanziell negativ ausgewirkt. Auf die Frage, ob und wie sich die Emotionalität ihrer Kinder in der Corona-Krise verändert hat, gaben jeweils mehr als die Hälfte der Eltern an, dass ihre Kinder trauriger (74 Prozent), einsamer (57 Prozent) oder aggressiver (53 Prozent) waren als zuvor.

82% der Kinder und Jugendlichen gaben nach dem ersten Lockdown an, sich wieder auf die Schule zu freuen. Jedoch hatten auch rund ein Drittel Sorgen vor Problem nach ihrer Rückkehr.

COVID19 und Schule

Auf diese Sorgen nach dem ersten Lockdown wurde seitens der Bundesregierung leider zu wenig eingegangen. Nach der abermaligen Umstellung der Schulen auf Distance-Learning sind zentrale Probleme weiterhin deutlich zu erkennen.

  1. Die Wohnverhältnisse von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen erschweren Distance-Learning und Homeschooling.
  2. Das körperliche Wohlbefinden von Kindern wird negativ beeinflusst.
  3. Kinder und Jugendliche mit speziellem Förderbedarf sind schlechter versorgt.
  4. Die psychische Gesundheit armutsgefährdeter Kinder leidet besonders.
  5. Angebote der sozialen Arbeit und Freiräume sind stark eingeschränkt.

Kurzfristige Forderungen

Darum hat man seitens der Volkshilfe deutliche Forderungen an die Bundesregierung:

  • Klare, transparente Kommunikation vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Evidenz im Hinblick auf notwendige Maßnahmen in diesem Bereich, um Pädagog*innen, Kinder und Eltern nicht zusätzlich zu belasten.
  • Finanzielle Absicherung der Eltern über die Anpassung von Transferleistungen, Erhöhung des Arbeitslosengeldes, Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Kontext der Corona-Krise und ihrer wirtschaftlichen Nachwirkungen.
  • Rasche Einrichtung einer Expert*innenkommission unter Beteiligung aller im Bildungsbereich betroffener Gruppen (Lehrer*innen, Schüler*innen, Eltern) zum Ausbau der Schutzmaßnahmen im Schulalltag.
  • Ankauf von Luftmessgeräten und Luftfiltern sowie deren Anbringen in allen Unterrichtsräumen.
  • Technische Ausstattung aller Schüler*innen evaluieren und rasch gewährleisten, auch im Hinblick auf Datenguthaben/Internetzugang.
  • Anmietung von Kinosälen, Museen, Theatern, Seminarräumen, etc. für kleinere Gruppen und/oder zur Ermöglichung der Einhaltung von Abstandsregeln, etwa für Schüler*innen in der Oberstufe.
  • Einstellung von zusätzlichem Personal zur Unterstützung der Betreuung, aber auch im administrativem Bereich (etwa zur Kommunikation mit den Gesundheitsbehörden und Aufgaben, die im Zuge der Gesundheitskrise notwendig geworden sind).

Langfristige Forderungen

Armutsfeste Existenzgrundlagen für Familien schaffen:

  • eine staatliche Kindergrundsicherung
  • Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 75%
  • Nachhaltige Unterstützung statt Einmalboni
  • Gezielte finanzielle Förderung statt Gießkannenprinzip

Aktuelle Erkenntnisse

Weiters muss die Bundesregierung Expertisen, wie die von AGES und CSH zulassen. Diese raten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie an den Schulen zu je nach Schultyp unterschiedlichen Maßnahmen. So würden nach ihren Modellen etwa an Volksschulen bereits konsequentes Lüften und wöchentliche Testungen das Übertragungsrisiko deutlich reduzieren. An Oberstufen oder Gymnasien braucht es für den gleichen Effekt dagegen zusätzliche Anstrengungen.

Eines ist jedoch klar: Unsere Schulen sind soziale Institutionen. Beziehungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen und Schüler*innen und Schüler*innen untereinander sind besonders wichtig. Es ist notwendig, dass sich Kinder- und Jugendliche in den Schulen treffen. Die Bundesregierung muss endlich dafür Sorge tragen, alle Vorkehrungen zu treffen, um ein soziales Leben in den Schulen wieder zuzulassen.

 

Statement Volkshilfe Burgenland Präsidentin LT-Präs.in Verena Dunst:

„Kein Mensch ist gerne arm. Es ist auch klar, dass man Armut nicht zeigen möchte. Aber es gibt auch im Burgenland Menschen die unter der Armutsgefährdungsschwelle Leben. Gerade in Verbindung mit Bildung trifft das die Menschen zu Zeiten von COVID19 besonders hart. Kinder, die keinen eigenen Schreibtisch haben, können nicht im erforderlichen Ausmaß am Distance-Learning teilnehmen. Geschwister, die sich zu Dritt ein Zimmer teilen, haben keinen Raum zur Entfaltung. Auch Eltern sind nicht gleichzeitig CO-Lehrer – das kann man nur sein, wenn man selbst entsprechend Bildung genossen hat und auch die Zeit dafür hat. Wir müssen diesen Menschen helfen!“

Statement Volkshilfe Österreich Direktor Erich Fenninger:

„Als Volkshilfe erforschen wir Armut schon seit langer Zeit. Unsere neuesten Erkenntnisse sind besorgniserregend. Armut wird reproduziert. Kinder kommen nicht aus der Armutsfalle der Eltern heraus. Menschen die von Armut betroffen sind, isolieren sich gesellschaftlich. Das hat Auswirkungen auf deren Kinder, die ihre Wünsche an die Einkommenssituation der Eltern anpassen. Für von Armut betroffene Kinder ist Sorgenfreiheit mit der Sicherung der Existenz (wohnen, heizen, essen) gleichgestellt. Diese Kinder werden aber keine Forscher, Akademiker usw.!“

„Die Kindergrundsicherung ist ein Modell, das die Kinderarmut abschafft. Die aktuellen Transferleistungen kommen meist nur wohlhabenderen und gebildeteren Familien zugute. Auch der Familienbonus ist in Wirklichkeit ein Steuerbonus. Wir wollen ein Modell, das jedem Kind die gleichen Chancen gibt. Das macht vor allem auch volkswirtschaftlich Sinn!“

 

 

Was ist relative Armut?

Armut ist relativ. Armut im Südsudan – dem ärmsten Land der Welt – sieht anders aus, als Armut in Österreich. In Österreich sprechen wir daher von „relativer Armut“. Im Gegensatz zur absoluten Armut – die sich in Hunger und Obdachlosigkeit ausdrückt – wird relative Armut am allgemeinen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft gemessen. Als arm gelten jene Menschen, denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, in Österreich übliche Güter zu erwerben bzw. zu konsumieren – und denen dadurch eine gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt.

Wer gilt als armutsgefährdet?

Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss. Diese Einkommensgrenze wird Armutsgefährdungsschwelle genannt. Aktuell liegt sie in Österreich bei 1.286 Euro monatlich für einen 1-Personen-Haushalt. Der Wert erhöht sich pro weiterer erwachsener Person im Haushalt (um den Faktor 0,5) und pro Kind unter 14 Jahren (um den Faktor 0,3).

Armutsgefährdungsschwelle in Österreich (nach Monatseinkommen NETTO):

1 Personen-Haushalt: 1.286 €
1 Erwachsener + 1 Kind: 1.671 €
2 Erwachsene + 2 Kinder: 2.700 €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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