Die Operette hat es nicht leicht im Burgenland

Daran ändert auch das für 2025 ausgerufenen „Straußjahr“ nichts. In Mörbisch, dem Mekka der Operette wurde die Operette schon vor ein paar Jahren durch das Musical ersetzt – auch im Straußjahr wurde nicht auf den Jahresregenten diesbezüglich Rücksicht genommen.

Im Sommer 2025 ist mit dem Musical-Hit von Robert Stigwood & Bill Oakes und der Erfolgs-Musik der Bee Gees wieder Discofieber auf der Seebühne Mörbisch angesagt. Der Kinofilm löste Ende der 70er eine weltweite Discowelle aus und machte John Travolta in der Rolle des Tony Manero zum Star. Kulturreferent und Landeshauptmann Hans Peter Doskozilist vom Vertrauen des Publikums in die Produktionen der Seefestspiele beeindruckt: „Vier Monate vor der Premiere wurden bereits 104.500 Karten für das Musical ‚Saturday Night Fever‘ verkauft“

Operette: In Wien geht man andere Wege im Straußjahr
„Das Lied vom Rand der Welt“ oder Der „Zigeunerbaron“

Nicht streichen, sondern ins dritte Jahrtausend transportieren, dieses Ziel hat man sich gesetzt und dies ist auch mit dem „Lied vom Rande der Welt“ gelungen. Die Neufassung des Straußstoffes durch die Musicbanda Franui unter der Regie von Nuran David Calis bedient sich zwar streckenweise, vor allem im zweiten Akt der Originalmelodien, jedoch bekommt die Geschichte rund um den Gutserben Barinkay durch das Libretto von Roland Schimmelpfennig eine andere Dimension, oder besser gesagt eine Rahmen, welcher auch ganz konkret bei der Inszenierung eine wesentliche Rolle spielt.

In ihm bewegen sie die Hauptcharaktere  um auch manchmal im wahrsten Sinne des Wortes aus denselben zu fallen. So zurückhaltend wie möglich, aber so überzeichnet wie nötig bewegen sich die Figuren um die Welt des straußschen „Zigeunerbarons“, ganz ohne aufgesetzte Romantik zu transportieren. Und so bleibt von der verspielten Landidylle des Schweinezüchters Zupan lediglich ein steriles Schlachthaus, in welchem permanent zerlegte Schweinehälften über die Bühne getragen werden oder aus dem beschaulich romantischen „Zigeunerlager“ eine Zeltstadt jener, die gesellschaftlich auf den Rand gedrängt werden und so unerkannt ihr Dasein fristen.

 

Auch der Krieg, der im straußschen Original musikalisch nahezu glorifiziert wird, wird dem Publikum ungeschminkt vor Augen geführt, wenn zwar der junge Liebhaber Ottokar lebend, aber als mitleidenswerter Pflegefall, zurückkehrt.

Dem Ensemble, allen voran den Sängerinnen und Sängern wie David Kerber, Nadja Mchantaf, Miriam Kutrowatz, Miriam Maertens, Paul Schweinester, Helene Schneiderman und Otto Katzameier wird viel abverlangt, noch dazu wo vertraute Strauss’schen Melodien immer wieder aufgebrochen werden und sich knapp vor dem musikalischen Auseinandertriftet immer wieder harmonisch zusammenfügen. Tobias Moretti lässt das diabolisch-naive des Schweinezüchters  Zsupán erahnen und Samouil Stoyanov brilliert als ein ständig in Bewegung seiender Carnero.

Wenn man bei dieser Produktion die Idylle des Strauss’schen „Zigeunerbaron“ erwartet, muss man sich zumindest für die Zeit der gleichermaßen als Ouvertüre verstandenen ersten Szenen, in welcher die einzelnen Charaktere über sich selbst in dritter Person auf der sich immer wieder dehnenden Bühne vorstellen und beschrieben, gedulden. Dann gibt es als Referenz gegenüber Strauß immer wieder originale Operettenklänge, welche aber immer wieder aufgebrochen werden. Es ist eben kein Operettenabend im herkömmlichen Sinne, aber mit dieser Produktion, welche das Publikum auch mitunter irritiert zurücklässt, ist Johann Strauß „Zigeunerbaron“ im dritten Jahrtausend angekommen, als „Lied vom Rand der Welt“.

Das Lied vom Rand der Welt oder Der „Zigeunerbaron“

Koproduktions- und Kooperationspartner*innen
Eine Produktion von Johann Strauss 2025 Wien

Foto (c) Victoria Nazarova

Mitwirkende:

Musikalische Leitung – Andreas Schett
Dirigat – Anna Sushon
Regie – Nuran David Calis
Video – Nuran David Calis
Bühnenbild – Anne Ehrlich
Kostümbild – Anna Sünkel
Licht – Bernd Purkrabek
Dramaturgie – Clara Bender
Barinkay – David Kerber
Saffi – Nadja Mchantaf
Czipra – Helene Schneiderman
Zsupán – Tobias Moretti
Arsena – Miriam Kutrowatz
Mirabella – Miriam Maertens
Ottokar – Paul Schweinester
Graf Homonay – Otto Katzameier
Carnero – Samouil Stoyanov
Musikgruppe – Musicbanda Franui & Strings
Chor – Arnold Schoenberg Chor
Chorleiter – Erwin Ortner

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