Eisenstadt, 5. 8. 2024
Seit der Einführung der verpflichtenden Gewaltpräventionsberatung für Gefährder:innen bei einem Betretungs- und Annäherungsverbot am 01.09.2021– im Burgenland ist der Verein NEUSTART dafür zuständig – wurde nun die 1000. Person im Bundesland zugewiesen.
Der Verein NEUSTART führt im Burgenland die verpflichtenden Gewaltpräventionsberatungen – im Umfang von jeweils sechs Stunden – nach einem verhängten Betretungs- und Annäherungsverbot durch die Polizei durch. Mit Ende Juli wurde nun die 1000. Person durch die Polizei zugewiesen, was damit 6000 angeordneten Beratungsstunden entspricht.
„Gewalt in der Privatsphäre hat viele Formen – aber sie ist vor allem keine Privatsache! Die konstant hohen Zahlen bei den Zuweisungen seit der Einführung zeigen einerseits wie ernst die Polizei Meldungen und Anzeigen von Gewalt im häuslichen Bereich nimmt und auch einschreitet. Andererseits steigt die Bereitschaft von Opfern und deren Umfeld, Übergriffe zu melden. Daher zeigen aus meiner Sicht die Zahlen nicht unbedingt eine steigende Gewaltbereitschaft, sondern eher eine erhöhte Sensibilisierung in der Bevölkerung – und dass ist gut so. Denn wenn die Fälle bekannt werden, können Opfer gezielt durch Opferschutzeinrichtungen unterstützt und mit Gefährder:innen im Rahmen der opferschutzorientierten Täterarbeit präventiv gearbeitet werden“, sagt Alexander Grohs MSc, Leiter von NEUSTART Burgenland.
Bei den Vorfällen, in denen ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt wird (in rund 90% gegen Männer ausgesprochen), handelt es sich in der klaren Mehrheit um Gewalt gegen Frauen, aber auch Generationengewalt ist ein Thema.
„In den Beratungen, welche unsere 10 Sozialarbeiter:innen im Burgenland durchführen, geht es zu Beginn klar um einen Gewaltstopp und Normverdeutlichung sowie im Laufe der Gespräche darum, eine Motivation zur Verhaltensänderung zu erreichen. Es zeigt sich, dass die Sozialisation – also wie habe ich als Kind gelernt mit Konflikten umzugehen oder habe ich Konfliktlösungen im Umfeld erlebt – und das Männlichkeitsbild eine große Rolle bei den meisten Vorfällen spielt. Vielen Gefährdern ist wenn sie zu uns kommen teils leider gar nicht bewusst, dass ihr Verhalten Gewalt darstellt. Hängen geblieben ist mir beispielsweise der Satz: „Ich habe sie ja nur mit dem Umbringen bedroht, aber ihr ja gar nichts getan“. Abgesehen vom strafrechtlichen Aspekt der gefährlichen Drohung haben wir hier ganz klar psychische Gewalt“, erzählt Grohs aus der Praxis.
Die Gefährder:innen müssen sich nach dem Betretungs- und Annäherungsverbot innerhalb von 5 Tagen bei NEUSTART melden, ansonsten wird die Sicherheitsbehörde verständigt wobei abgesehen von einer zu erfolgenden Ladung auch noch über eine Verwaltungsstrafe entschieden wird. Rund 71 Prozent melden sich innerhalb der Frist und über die Ladungen können ca. 84 Prozent in die Beratung gebracht werden.
„Ein Zwangskontext ist hier klar von Vorteil, weil sich im freiwilligen Settting nur rund 3-10 Prozent in Beratung begeben würden. Damit erreichen wir auch jene, die – weil sie es oftmals als Schwäche sehen würden Beratung in Anspruch zu nehmen – ansonsten nie andocken würden. Dies ermöglicht uns auch, potentielle Hochrisikofälle besser zu erkennen und durch die Vernetzung mit dem Gewaltschutzzentrum oder bei Bedarf durch Anregung einer Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz gegenzusteuern. Hier ein Dankeschön unsererseits an Polizei und Gewaltschutz für die gemeinsame Zusammenarbeit im Sinne einer besseren Sicherheit der Bevölkerung im Burgenland“, sagt Grohs.
Eine Sichtweise, die Landespolizeidirektor Mag. Martin Huber teilt.
„Die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle für Gewaltprävention, dem Verein NEUSTART funktioniert nach wie vor ausgezeichnet. Die Arbeit mit den Tätern ist und bleibt ein wichtiger Teilaspekt bei der Konfliktlösung. Nur so können die gewalttätigen Vorfälle mit allen Beteiligten lösungsorientiert aufgearbeitet werden. Selbstverständlich erachtet die Polizei die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Organisationen – den Bezirksverwaltungsbehörden, dem Gewaltschutzzentrum und dem Verein NEUSTART – als essentiell, so auch insbesondere die Abhaltung von sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Diese haben sich in der Vergangenheit sehr bewährt.“
Mehr Informationen finden Sie auf der Website von NEUSTART: www.neustart.at
Über NEUSTART Österreich
Seit 1957 arbeitet NEUSTART in den Bereichen Straffälligenhilfe (Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe), Opferhilfe und Prävention. Der Verein bietet Einzelnen und der Gesellschaft Hilfen und Lösungen zur Bewältigung von Konflikten und zum Schutz vor Kriminalität an. NEUSTART beschäftigt 710 haupt- und rund 1.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit zählt NEUSTART zu einer der größten Non-Profit-Organisationen in Österreich. www.neustart.at