„Corona rising“ – Zeitgenössische Kunst im Martinsdom

Eisenstadt, 20. 1. 2021

Künstlerin Mari Otberg stellt eine moderne, an klassischer Ikonographie orientierte Darstellung der heiligen Corona für die Dom- und Stadtpfarrkirche St. Martin zur Verfügung. Bischof Zsifkovics: Einladung an alle, einander zu unterstützen und ein stilles Gebet gegen die Nöte der Pandemie zu sprechen.

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Zu Beginn des Advents lud die Diözese Eisenstadt die international bekannte Künstlerin Mari Otberg ein, ihr Werk „Corona rising“ im Martinsdom in Eisenstadt auszustellen  ab Februar wird es Besuchern möglich sein das Werk dort zu sehen. Das Kunstwerk lädt ein zu Reflexion und zu stillem Gebet gegen die Nöte der Pandemie. Durch eine Spendenbox vor Ort können Besucher überdies Menschen unterstützen, die aufgrund der Corona-Pandemie in Not gerieten – der Erlös geht an den von Diözesanbischof Zsifkovics initiierten Corona-Notfallsfonds der Diözese.

In einem herzlichen Telefoninterview erzählte Mari Otberg dem Medienbüro von der Entstehung des Kunstwerks und ihrem Schaffensprozess und Dompfarrer Pater Achim Bayer sprach über die Idee der Kunst-Aktion im Martinsdom.

„Ich kann nur malen, was mich berührt“
„Am Anfang des Lockdowns kam ich von Mexiko wieder, von den Mayaruinen und Fledermaushöhlen im Regenwald und dem Karibikstrand mit Palmen“, erzählt Mari Otberg. Zum ersten Mal sah sie die furchtbaren Bilder der Fledermäuse auf den Märkten in China. Eine Freundin fragte sie, ob sie denn wüsste, dass es eigentlich auch eine heilige Corona gäbe. Das war im März. In diesem Moment begann sie zu recherchieren und entdeckte in der Legende der Heiligen sowie ihren Patronatszuschreibungen „die passt genau in unsere Zeit!“ In ihrem Werk „Corona rising“ verarbeitete die Künstlerin – deren Faszination für Heiligendarstellungen und Ikonographie sie bereits seit ihrer Kindheit begleitet und in ihren Arbeiten Ausdruck findet – die Legende der jungen Märtyrerin mit Einflüssen ihrer Reise und eigenen Erfahrungen. „Es ist eine Mischung aus ganz persönlichem, was mich beschäftigt, aber auch was mit der Pandemie zu tun hat“, so Mari Otberg. „Ich kann nur malen, was mich berührt.“

Eine gewalttätige Legende
„Über die Märtyrerin, die heilige Corona, gibt es keine Biographie“, so Pater Achim Bayer, Dompfarrer in Eisenstadt. Die Legende verorte sie zumeist in Damaskus, Syrien oder in Antiochia, Türkei. Ihr Sterbedatum liege um 177 oder 303. Sie wäre zwischen zwei Palmen gespannt und zerrissen worden – eine besonders gewalttätige, aber häufige Tötungsart zu jener Zeit.
Das Ökumenische Heiligenlexikon erzählt über das Leben und den Tod der Märtyrerin verschiedene Versionen. Eine davon besagt, dass sie nach dem Märtyrertod ihres Ehemannes, dem Soldaten Victor, zur Zeit der Christenverfolgung hingerichtet wurde, da auch sie ihrem Glauben nicht abschwören wollte.
Die heilige Corona ist Patronin der Schatzgräber und Metzger, Gläubige wenden sich an sie um gegen Seuchen oder Unwetter zu beten. Sie steht für Standhaftigkeit im Glauben, man bittet bei Geldangelegenheiten sowie beim Glückspiel um ihren Schutz und Unterstützung. Auch bei Missernten wendet man sich an sie. Attribute in ihren Darstellungen sind Palmen, eine Krone sowie Goldstücke oder Schatzkisten. Darstellungen zeigen sie alleine wie auch gemeinsam mit dem Soldaten Victor.

„Corona rising“ – Eine Legende bekommt Aktualität
Die Künstlerin Mari Otberg setzt die Thematik der heiligen Corona in ihrem Werk „Corona rising“ mit in der christlichen Kunst bekannten Attributen dar, verwebt in ihrer Bildsprache jedoch auch Eindrücke ihrer Mexikoreise sowie aktuelle Bezüge zum Corona-Virus und seinen Auswirkungen.
„Ich habe meine Interpretation der heiligen Corona während des ersten Lockdowns im März / April 2020 gemalt, nachdem ich von einem Mexico Trip zurückkehrte. Die Palme, das Symbol der heiligen Corona ist auch ein Verweis auf diese Reise, da ich die letzten Tage vor meinem Abflug am Karibikstrand in Tulum unter Palmen verbracht habe und in diesem paradiesischen Ambiente die Horrormeldungen aus Europa verfolgte“, erzählt die Künstlerin.
In Mexico, mitten im Dschungel, im Biosphärenreservat Calakmul lernte sie den Fledermausforscher Rodrigo Medellin („Bat Man of Mexico“) kennen, welcher ihr voller Leidenschaft diese faszinierenden Tiere näherbrachte, indem er ihr seine Arbeit und Forschung erklärte und mit ihr den „Vulcan de los Murciélagos“ (Fledermausvulkan) besuchte. „Aus dieser Höhle im Urwald strömen jeden Abend gegen 17 Uhr 3 Mio. Fledermäuse zu den umliegenden Feldern, um sich dort von Insekten zu ernähren. Wären die Fledermäuse nicht, würden die Felder von Ungeziefer vernichtet werden. Auch dafür steht die Heilige Corona: Missernte. Der Raubbau an der Natur, wiederholt sich immer wieder in der Geschichte“, so Mari Otberg.

Nachdem die grauenhaften Bilder von Wildtiermärkten im Netz kursierten, wurde für sie die Fledermaus umso schützenswerter und Symbol dafür, dass der Mensch seine Misswirtschaft auf die Spitze treibt und damit sein eigenes Dasein gefährdet.

Streben nach Erkenntnis – Eine zeitgenössische Ikonografie
Im Werk der Künstlerin ist die junge Märtyrerin an zwei nach unten neigenden Palmen festgebunden, ein goldener Nimbus umgibt ihr Haupt. Der Blick der Corona ist nach oben gerichtet. Die Himmelsboten, die ihre Krone tragen sind zwei Fledermäuse. Im Herz Jesu, das sich über ihrem Haupt und den zwei Fledermäusen mit einer Krone befindet, lodert das Feuer. Letztendlich siegt die Liebe.
„Meine Corona steht inmitten vieler materieller Schätze: Um sie sind Goldbarren, Diamanten, Perlen, ein Geldkoffer und viele Münzen. Ihr Blick ist jedoch nach oben gerichtet, was bedeutet: Sie überwindet die Materialität und strebt nach Erkenntnis. Der wahre Reichtum liegt im Übersinnlichen, im Geist“, beschreibt Mari Otberg ihre Darstellung.

Die Abholzung der Regenwälder thematisiert die Künstlerin in ihrem Bild durch die Baumstümpfe. Jedes Element hat eine Bedeutung, die Mari Otberg gerne teilt und dem Betrachter so das Lesen der Werkes erleichtert. „Das blaue Band steht für Treue, Reinheit, geistige Überlegenheit, Rückzug ins Innere und für Unendlichkeit auf Ewigkeit. Die florale Gestaltung im Bildhintergrund zeigt fünf verschiedene Blumen. Die Narzisse steht für Tod, Auferstehung und Wiedergeburt, ist Symbol des ewigen Lebens. Die Lilie steht für Reinheit des Herzens und Überwindung allen Irdischen. Die Akelei ist ein Zeichen für den Sieg des Lebens über den Tod, sie ist Symbol des Heiligen Geistes und Hinweis auf die kommende Erlösung. Die Schwertlilie symbolisiert durch ihre Blüten göttliche Botschaft und die damit verbundenen Schmerzen, die wie ein Schwert die Seele durchdringen. Sie ist Herrschafts- und Glaubenssymbol, Sinnbild für Mut und Stärke. Die Pfingstrose steht für die brennende Liebe zu Gott.“

Corona, Glaube und KünstlerInnen
„Die Standhaftigkeit im Glauben, für die die heilige Corona auch verehrt wird“ sei auch „essenziell im Leben eines Künstlers“, betont Mari Otberg. „Ohne den Glauben an das eigene Werk, wider aller Kritik und äußerlichen Umstände, ist ein Künstlerdasein nicht möglich. Wenn du an etwas glaubst, nur dann passiert etwas“, sagt sie. Sie weiß wovon sie spricht. Mari Otberg selbst wuchs atheistisch auf. „Meine Eltern und ich waren nie in der Kirche. Weihnachten, Ostern, das gab es bei uns gar nicht. Ich war aber als Kind schon ganz fasziniert von der Religion, Geschichte, von den Bildern dort. Das hat mich immer magisch angezogen“, erzählt sie. Die Künstlerin sieht sich als einen gläubigen Menschen, denn sonst könnte sie solche Bilder auch gar nicht malen. Und sie freut sich sehr, dass das Bild sich jetzt im Martinsdom befindet. Sie sieht es als Zeichen einer neuen Offenheit. „Lange Zeit gab es nichts Neues. Es gab nur die alten Meister und dann lange Zeit nichts. Jetzt scheint eine neue Form der Darstellung, eine neue Bildsprache gesucht zu werden“, so Mari Otberg. KünstlerInnen hatten durch ihr Schaffen schon immer die Fähigkeit über Grenzen hinweg zu kommunizieren.

„Ich bin gespannt auf die Reaktion der Leute“

Dompfarrer Pater Achim Bayer erinnert sich an den Moment, als er von der Idee der Kunst-Aktion erfuhr: „Dominik Orieschnig (Anm.: Pressesprecher der Diözese) sprach mit mir Anfang Dezember über die Idee zur Kunst-Aktion mit der Künstlerin Mari Otberg. Das Werk selbst war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt.“ Nachdem er erstmals das Werk gesehen hatte, stieg die Neugier auf die Erklärung durch die Künstlerin. „Denn obwohl Elemente der Legende der heiligen Corona zu sehen waren, waren mir als Betrachter Elemente der Bildsprache verschlüsselt“, so Pater Achim. Doch er war von der Idee begeistert. „Viele Menschen kommen in den Dom um zu beten. Es ist ein Ort, wo das Gebet besonders gelebt wird. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist das Werk dort zu platzieren, sodass Menschen sich durch das Gebet und das Werk an die Heilige Corona wenden können“, so der Dompfarrer. „Auch wenn man solche Bilder in der Kirche nicht gewohnt ist – ich bin gespannt auf die Reaktion der Leute!“

Papst Franziskus über Bedeutung und Wert-Schöpfung von KünstlerInnen
Nicht nur in der Diözese Eisenstadt, auch im Vatikan wird der Wert der Kunst auch aufgrund der gegenwärtigen Situation wiederentdeckt. „Selbst in der Orientierungslosigkeit, die die Pandemie verursacht, kann ihre Kreativität Licht erzeugen“, sagte Papst Franziskus im Rahmen des Empfanges zum Weihnachtskonzert im Dezember über Kunstschaffende. Er dankte den KünstlerInnen aller Genres für ihr Schaffen und sprach ihre hohe Berufung an. „Wahrheit und Schönheit zu vermitteln“ brächten Freude in die Herzen der Menschen und seien eine „kostbare Frucht, die der Abnutzung der Zeit widersteht, die Generationen verbindet und sie in Bewunderung zusammenführt“, zitierte der Papst aus dem „Brief an die Künstler“ von Papst Paul VI., der enge Freundschaften zu Kunstschaffenden seiner Zeit unterhalten hatte.

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Künstlerin Mari Otberg

Biografie
Mari Otberg, 1969 in Stuttgart geboren, wuchs in einer Kleinstadt im deutschen Sauerland auf.
Ihre Laufbahn begann mit einer Schneiderlehre im Ruhrgebiet. Während dieser Zeit besuchte sie die Malschule von Bernhard Matthes und studierte anschließend erst in Bremen, dann in Hamburg Modedesign und Illustration. Bereits während ihres Studiums führte sie Art Performances auf, die Kunst, Mode & Poesie verknüpften.
Mit einen DAAD Stipendium gefördert, zog sie 1997 nach London, arbeitete zunächst für Vivienne Westwood und gründete dann ihre eigene Modemarke justMariOt. Die Kollektion etablierte sich schnell, vor allem in Japan und zu ihren Kundinnen zählten zahlreiche Galeristinnen, Sammlerinnen sowie die Schauspielerin Susan Sarandon. Aufgrund eines Markenrechtsstreits mit Marriott Hotels stellte Otberg 2008, mittlerweile in Berlin lebend, das Label ein, zog nach Österreich und widmete sich ganz der freien Kunst.
Als Künstlerin passt Mari Otberg in kein Raster. Sie schuf in relativ kurzer Zeit, fern ab vom Mainstream ihren eigenwilligen Kosmos aus Zeichnungen, Wandteppichen, Stickerei und schließlich Malerei. Ihr unverkennbarer Stil kommt einem Pop-poetischen Realismus gleich. In Wien erlernte sie die Kunst des Polimentvergoldens. In altmeisterlicher Technik, Eitempera auf Kreidegrund/ Holz malt sie zeitgenössische Ikonen.
Auch wenn ihre Bilder teils tragische Inhalte haben, bezeichnet die Künstlerin sie selbst als Hoffnungsträger. Ihre Werke wurden neben vielen anderen Schauplätzen, in der Jacobikirche in Hamburg gezeigt und in der Marienkirche in Berlin. Mari Otberg lebt und arbeitet seit 2012 in Wien.

 

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