Volkshilfe Umfrage: Lebensqualität von Familien

Eisenstadt, 30. 4. 2021

Armut

Armut und Bildung werden in der Regel vererbt. Die Corona-Krise hat diese Ungleichheiten für eine breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht! Aktuell sind in Österreich, dem drittreichsten Land der EU, 19% der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre von Armut und Ausgrenzung betroffen. Das sind 303.000 Kinder, jedes 5. Kind in Österreich. Im Burgenland gibt es 6.000 armutsgefährdete Kinder. Jedes einzelne Kind ist eines zu viel! Besonders oft betroffen sind Kinder von alleinerziehenden Müttern oder Vätern und Kinder, die mehr als zwei Geschwister haben.

vh
Volkshilfe Österreich Direktor Erich Fenninger und Volkshilfe Burgenland Präsidentin Verena Dunst

Die Volkshilfe Umfrage: Ein Vergleich von Sommer 2020 und Frühling 2021

Die Volkshilfe Österreich hat im Februar 2021 österreichweit 100 Familien befragt, die unter der Armutsgefährdungsschwelle leben, um die Lebensqualität ihrer Kinder in Coronazeiten zu beleuchten. Der Vergleich zum Vorjahr zeigt einen steilen Abwärtstrend, den es jetzt zu stoppen gilt.

Doppelt so viele stufen Lebensqualität ihrer Kinder mit „Nicht Genügend“ ein

„Mit dieser Umfrage geben wir exklusive Einblicke in die Lage und Einschätzungen einer Gruppe, die sonst kaum gehört wird: armutsbetroffene Familien und ihre Kinder,“ erklärt Volkshilfe Burgenland Präsidentin Verena Dunst. Die österreichweite Befragung zeigt, dass aktuell doppelt so viele Eltern wie noch im vergangenen Sommer, die Lebensqualität ihrer Kinder mit einem „Nicht Genügend“ beurteilen. Jede/r fünfte Mutter oder Vater (21%) sieht die Lage seiner Kinder derzeit derart desaströs.

6 von 10 Kindern (61%) sind laut ihren Eltern einsamer als vor der Corona-Krise. Mehr als die Hälfte der Mütter und Väter (57%) schätzen ihre Kinder jetzt trauriger ein. Vergleicht man diese Zahlen mit einer aktuellen Studie der Universität Salzburg, wird deutlich, dass armutsbetroffene Kinder härter durch die Corona-Krise getroffen werden: Während in der allgemeinen Befragung der Uni Salzburg 2 von 10 Kindern trauriger und einsamer sind, liegt der Anteil im Segment der Armutsbetroffenen 3 Mal so hoch.

Schlechte Noten für Arbeit der Regierung für armutsbetroffene Kinder

Gefragt danach, wie die armutsbetroffenen Familien die Maßnahmen der Regierung für ihre Kinder einschätzen, zeigt sich die Hälfte unzufrieden: 53% der Befragten benotet die Arbeit der Regierung mit einem Vierer oder Fünfer.

Regierung erreicht viele armutsbetroffene Menschen nicht

Fragt man genauer zu den einzelnen Maßnahmen der Regierung nach, zeigt sich, dass viele armutsbetroffene Familien nicht ausreichend informiert oder gar nicht erst erreicht wurden. So kennt die Hälfte der Befragten (49%) den Familienhärtefonds nicht. Von den übrigen 50% findet etwa ein Drittel die Einmalzahlung aus dem Familienhärtefonds zu gering. Die einmalige Verdoppelung der Familienbeihilfe hält rund ein Viertel (24%) für zu wenig. Zur Einrichtung eines Notbetriebs für Schulen sprach sich fast die Hälfte positiv aus (46%), allerdings gibt auch jede/r Fünfte an (19%), diese Maßnahme gar nicht zu kennen.

Forderung der Volkshilfe nach einer Kindergrundsicherung

„Man muss sich die Frage stellen, wie kommen Hilfen dort an, wo sie gebraucht werden. Eine Kindergrundsicherung, die automatisch ausbezahlt wird, nimmt diese Hürde und erreicht alle“, hält Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich fest. „Einmalzahlungen und Härtefallfonds sind wichtige Instrumente zur akuten Armutsbekämpfung. Ohne nachhaltige Lösungen lassen wir aber 300.000 Kinder und Jugendliche in Österreich vorsätzlich zurück“, mahnt Fenninger.

Mut schaffen: 12 x 100 Euro = 1 Kind viele Chancen

Volkshilfe Burgenland Präsidentin Verena Dunst erklärt auch das Projekt Mut Schaffen. Wir haben schon mit unserer Weihnachtsaktion versucht sieben Familien aus den sieben Bezirken im Burgenland mittels der „12×100=1 Kind viele Chancen“ Aktion zu unterstützen. In kürzester Zeit waren alle Spendenziele erreicht. Diese Familien werden teilweise durch unsere SozialarbeiterInnen begleitet. Der Erfolg ist schon jetzt absehbar. Die Gespräche mit den Familien zeigen eine deutliche Erleichterung bei den Familien.

Statement Volkshilfe Burgenland Präsidentin LT-Präs.in Verena Dunst:

Wir, als Volkshilfe Burgenland, arbeiten täglich mit und für Kinder über unterschiedlichste Projekte (Netzwerk Kind, Familienbegleitung usw.). Wir begleiten schon junge Eltern die vor Problemstellungen stehen. Wir sehen also auch die Erfolge, die erzielt werden, wenn man diesen armutsbetroffenen Familien grundlegend hilft. Der Mindestlohn und auch die Kindergrundsicherung sind also Instrumente die wir in Zukunft unbedingt benötigen.

 

Statement Volkshilfe Österreich Direktor Erich Fenninger:

In der Forschung betrachten wir Kinderarmut schon sehr lange. Die Kinder im Armut lernen in Armut zu leben. Sie lernen ihre Wünsche genau nach dem finanziellen Spielraum ihrer Eltern auszurichten. Damit schränken Sie sich aber deutlich in der Entwicklung ein. Nach unserer Umfrage im Frühjahr ist klar, dass wir grundlegend etwas verändern müssen. Die Lebensqualität der armutsgefährdeten Kinder ist schlecht. Wir müssen diesen Kindern ermöglichen, sich aus der Armut der Eltern heraus zu entwickeln. Wir fordern ganz klar: Eine Kindergrundsicherung für alle. Den Erfolg eines solchen Modells haben wir erforscht und wissenschaftlich belegt. Nun müssen wir alles auch österreichweit umsetzen.

 

Was ist relative Armut?

Armut ist relativ. Armut im Südsudan – dem ärmsten Land der Welt – sieht anders aus, als Armut in Österreich. In Österreich sprechen wir daher von „relativer Armut“. Im Gegensatz zur absoluten Armut – die sich in Hunger und Obdachlosigkeit ausdrückt – wird relative Armut am allgemeinen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft gemessen. Als arm gelten jene Menschen, denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, in Österreich übliche Güter zu erwerben bzw. zu konsumieren – und denen dadurch eine gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt.

Wer gilt als armutsgefährdet?

Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung auskommen muss. Diese Einkommensgrenze wird Armutsgefährdungsschwelle genannt. Aktuell liegt sie in Österreich bei 1.286 Euro monatlich für einen 1-Personen-Haushalt. Der Wert erhöht sich pro weiterer erwachsener Person im Haushalt (um den Faktor 0,5) und pro Kind unter 14 Jahren (um den Faktor 0,3).

Armutsgefährdungsschwelle in Österreich (nach Monatseinkommen NETTO):
1 Personen-Haushalt: 1.286 €
1 Erwachsener + 1 Kind: 1.671 €
2 Erwachsene + 2 Kinder: 2.700 €

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