Eisenstadt, 23. 11. 2022
Dokumentationsstelle: Theokratie und zwölferschiitischer Islamismus
Der aktuelle Grundlagenbericht beschäftigt sich mit der Entwicklung und Ideologie einer islamistischen Strömung innerhalb der zweitgrößten Konfession im Islam.
Die anhaltende Protestwelle im Iran hat seit September 2022 den Fokus der Öffentlichkeit verstärkt auf die Teheraner Führung und deren Ideologie gelenkt. Der Österreichische Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) legt nun einen Grundlagen-bericht zum politischen Islam in der Zwölferschia vor, in dem die Bedeutung und die Ursprünge des Phänomens abgebildet werden. In der Publikation wird die Entwicklung des zwölferschiitischen Islamismus vor allem im Iran und im Irak analysiert.
Die schiitisch-islamistische Theokratie mit der „Herrschaft des Rechtsgelehrten“ ist seit dem Revolutionsjahr 1979 im Iran staatlich institutionalisiert und prägt die gesellschaftliche Ordnung bis heute. Bei deren Etablierung nahm Großajatollah Ruhollah Khomeini eine Schlüsselrolle ein und übte als „Oberster Führer“ von 1979 bis zu seinem Tod 1989 eine nahezu uneingeschränkte Macht in der Islamischen Republik aus. Sein Einfluss prägte diese islamistische Strömung über die Grenzen des Landes hinaus. Diese mächtige Doppelfunktion als politische und religiöse Führungsfigur hat seit 1989 Ali Khamenei inne. Eine Folgeerscheinung des Systems ist eine unscharfe Trennung von staatlichen und halbstaatlichen Institutionen sowie dem trans-regionalen religiösen Netzwerk der Islamischen Republik. Die formal zwar vorhandenen demokratischen Institutionen des Iran werden durch das Amt des „Obersten Führers“ systematisch eingeschränkt.
Ablehnung der westlichen Demokratie
Khomeinis Ideologie gilt, trotz der konfessionellen Ausrichtung, als panislamische Bestrebung über den zwölferschiitischen Raum hinaus. Die westliche Demokratie wird von der Führung des Irans seit der Revolution 1979 abgelehnt. Die USA werden als der „große Satan“ sowie Israel als der „kleine Satan“ bezeichnet; beide gelten als Hauptfeinde. Die Teheraner Führung verfolgt bis heute Khomeinis antiimperialistische, antiamerikanische und israelfeindliche Zielsetzung des „islamischen Widerstands“ mit der „Befreiung der islamischen Welt“ von den „westlichen Unterdrückern“. Der Iran avancierte zur Regionalmacht mit einem ambitionierten Hegemoniestreben und prägt in unterschiedlicher Intensität verschiedene Parteien, Vereinigungen und Länder von bloßer Hilfestellung bis zur direkten Einflussnahme. Im Rahmen der sogenannten „Achse des Widerstands“ werden die von der EU als terroristische Organisation eingestufte Hamas im Gazastreifen sowie andere islamistische Gruppierungen im Irak, dem Jemen und im Libanon, wie etwa Hisbollah, unterstützt.
Einflussnahme im Ausland
Der weitreichende Arm der iranischen Führung bedient zudem Soft-Power-Instrumente, wie den von Ayatollah Khomeini ins Leben gerufenen israelfeindlichen „Al-Quds-Tag“, der auch in westlichen Ländern immer wieder veranstaltet wurde, unter anderem in Wien und Berlin. Über Außenstellen, wie Stiftungen oder religiöse Zentren, versucht die Islamische Republik im kulturellen und religiösen Bereich sowie im Bildungssektor Einfluss zu nehmen. In Wien existiert das Imam Ali Zentrum (IAZ), welches in der Vergangenheit auch von hochrangigen iranischen Politikern im Zuge von Aufenthalten in Österreich besucht wurde. Zu den bekannteren Einrichtungen in Europa zählt auch das umstrittene Islamische Zentrum Hamburg (IZH).
Der Grundlagenbericht und alle weiteren Publikationen des Österreichischen Fonds zur Dokumentation von religiös motiviertem politischen Extremismus (Dokumentationsstelle Politischer Islam) können auf der Website www.dokumentationsstelle.at abgerufen werden.