Getreide-Ernte 2022: Versorgung trotz Herausforderungen gesichert

Eisenstadt, 22. 6. 2022

Leichtes Flächenplus – Innovative Technik, nachhaltige Effizienz und Entlastung für Zukunft bedeutsam

Obwohl die heimischen Bäuerinnen und Bauern 2022 mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen haben, werden sie auch heuer Österreichs Bevölkerung mit ausreichend Ackerfrüchten versorgen. Dass – trotz fehlender Winterfeuchtigkeit und enorm gestiegener Betriebsmittelkosten durch die Ukraine-Russland-Krise – sogar ein leichtes Plus bei Getreideanbaufläche und -ernte zu erwarten ist, beleuchteten die Präsidenten der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, Josef Moosbrugger, der LK Niederösterreich, Johannes Schmuckenschlager, und der LK Burgenland, Nikolaus Berlakovich, heute bei einem Pressegespräch an der neueröffneten LK-Technik Mold im Bezirk Horn (NÖ). Dabei wurde auch der Verlauf des Ackerbaujahres 2022 präsentiert, die Notwendigkeit des Versorgungssicherungsbeitrags und des AMA Gütesiegel-Ausbaus erläutert und die Bedeutung von Forschung, innovativer Technik und nachhaltiger Effizienz zur Erreichung der EU-Nachhaltigkeitsziele erörtert.

Derzeit 3% Flächen- und 6% Ernteplus erwartet

Der Getreideanbau ohne Körnermais konnte nach dem Tiefststand 2021 im Jahr 2022 wieder um 3% oder knapp 14.000 Hektar Fläche auf insgesamt 530.000 Hektar zulegen und liegt somit um 2% unter dem 5-Jahres-Durchschnitt. Die Getreideernte dürfte aktuellen Schätzungen zufolge mit insgesamt 2,97 Mio. Tonnen um 6% gegenüber dem Vorjahr mit 2,79 Mio. Tonnen zulegen und auch den Fünf-Jahres-Durchschnitt um 3% übertreffen. „Österreichs Bäuerinnen und Bauern sorgen auch in Krisenzeiten für Versorgungssicherheit. Angesichts vielfältiger Herausforderungen sind die aktuellen Ernteprognosen nicht nur eine gute Nachricht und Glück. Sie sind vielmehr Ergebnis umfangreichen Knowhows unserer Ackerbaubetriebe und intensiver Beratung, um trotz immer schwierigerer Witterungsbedingungen und enormer Betriebsmittelkosten die richtigen Anbau- und Kulturpflegemaßnahmen zu treffen“, betonte Moosbrugger.

„Gleichzeitig ist festzuhalten, dass unsere Ackerbaubetriebe massiv in Vorleistungen investieren mussten und die Planbarkeit in der aktuellen Marktsituation schwierig ist. Ob nicht die Witterung noch einen Strich durch die Rechnung macht und die notwendigen höheren Preise für die Ernte erzielt werden können, ist unsicher, zumindest bis die Ernte vom Feld gebracht ist. Außerdem müssen die Landwirte bereits jetzt den Anbau für die Ernte 2023 planen und zu sehr hohen Preisen Betriebsmittel einkaufen. Von daher ist der in der vergangenen Woche präsentierte Versorgungssicherungsbeitrag ein unverzichtbares Unterstützungssignal für unsere Betriebe, in Produktion zu bleiben. Gleichzeitig muss der Zugang zu wichtigen Betriebsmitteln dauerhaft sichergestellt werden. Wir müssen mit regionaler, nachhaltiger Erzeugung in der gesamten Wertschöpfungskette unabhängiger werden“, unterstrich der LKÖ-Präsident.

 

Spürbare Auswirkungen der Ukraine-Russland-Krise

„Deutliche Auswirkung der Ukraine-Russland-Krise und der Betriebsmittel-Kostensteigerungen ist die Zunahme der Soja-Anbaufläche 2022 um 23% von 76.000 Hektar auf 93.000 Hektar. Gegenüber der Fläche von vor fünf Jahren mit 64.200 Hektar ist das eine deutliche Steigerung. Soja, eine Leguminose, die Luftstickstoff bindet und somit keinen teuren Stickstoffdünger benötigt, als Eiweißlieferant verstärkt nachgefragt wird und auch als vergleichsweise klimafit gilt, ist somit weiter auf der Überholspur“, erklärte der LKÖ-Präsident. „Aber auch bei der Maisanbaufläche sind die Auswirkungen der hohen Düngerkosten zu erkennen. Da für diese ertragsstarke Kultur etwas mehr Dünger erforderlich ist und auch deutlich höhere Trocknungskosten zu erwarten sind, haben sich einige Landwirte für andere Kulturen entschieden“, so Moosbrugger.

 

Winterkulturen gewinnen an Fläche, Sommerkulturen verlieren

„Zugenommen haben neben Soja hauptsächlich Winterkulturen wie Winterweizen, Wintergerste, Dinkel und auch Winterroggen. An Fläche verloren haben hingegen – wie bereits in den letzten Jahren – die Sommerkulturen. So hat etwa Sommergerste, die wegen Frühjahrstrockenheit immer wieder Ertrags- und Qualitätsausfälle mit sich bringt, von rund 32.000 Hektar um 20% oder 6.400 Hektar weiter auf 26.000 Hektar abgenommen. Auch Zuckerrübe, Ölkürbis, Ackerbohne, Kartoffeln und Sonnenblumen wurden heuer etwas weniger angebaut“, berichtete Berlakovich, auch LKÖ-Pflanzenbau-Ausschuss-Vorsitzender. „Die Bio-Ackerfläche hat 2022 leicht um 2.600 Hektar auf 270.000 ha zugenommen und beträgt 20% der Gesamtackerfläche. Bei Getreide allein beträgt der Bioflächenanteil 21%.“

„Während Niederschläge beim Herbstanbau noch ausreichend waren, haben sie dann für lange Zeit gefehlt, was zu Beginn der Saison große Sorgen bereitet hat. Dank des kühlen März und April hat sich die fehlende Winterfeuchtigkeit aber nicht ganz so gravierend ausgewirkt. Durch den Regen, der – je nach Region – im Mai, spätestens im Juni eingesetzt hat, konnten die meisten Ackerkulturen den Entwicklungsrückstand noch einigermaßen aufholen. Zu beobachten ist eine bemerkenswerte Entwicklung. Das Getreide ist mit den geringen Niederschlägen relativ gut zurechtgekommen. Die mittlerweile sehr häufig praktizierte wassersparende Bewirtschaftung unserer Bäuerinnen und Bauern sowie Sorten, die mit veränderten Bedingungen besser zurechtkommen, machen das möglich“, betonte Berlakovich, der aber noch auf die aktuell stattfindende, entscheidende Kornfüllungs- und Reifungsphase verwies, die moderate Sommertemperaturen erfordert und Beleg dafür ist, dass dem Klimawandel mit Innovation in der Züchtung begegnet werden muss. Hagelereignisse werden heuer von allen Bundesländern regional gemeldet, am stärksten betroffen war bisher Kärnten. Die Gesamtschäden belaufen sich in dieser Saison laut Österreichischer Hagelversicherung bereits auf ca. 12 Mio. Euro Schadenssumme“, berichtete Berlakovich.

 

Herkunftsgarantie mit AMA Gütesiegel-Ausbau verstärken

„Unsere Getreidesorten leisten heute schon sehr viel, der Klimawandel erweist sich aber als immer stärkere, unberechenbare Herausforderung. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe kommen trotz aller Widrigkeiten ihrem Versorgungsauftrag nach. Bei dem für die Lebensmittelerzeugung so wichtigen Weich- und Hartweizen haben wir einen hohen Selbstversorgungsgrad. Aufgrund der sehr guten Qualität und der starken Nachfrage, exportieren wir dieses Getreide in andere Länder – z.B. für die italienische Nudelproduktion. Quer über alle Getreidesorten und die gesamte Verwendung beträgt der österreichische Selbstversorgungsgrad rund 80%. Die Differenz wird vor allem aus dem angrenzenden Donauraum – Tschechien, Slowakei, Ungarn, aber auch Slowenien ergänzt, wobei es sich um schlechtere Qualitäten handelt. Diese werden zu Futtermitteln, Bioethanol, Stärke und Bestandteilen von Erfrischungsgetränken verarbeitet oder finden als Ersatz von Importsoja Verwendung“, berichtet Berlakovich.

„Wir können stolz auf den österreichischen Ackerbau sein und sollten verlässliche Partnerschaften im Sinne von Bauern und Bevölkerung forcieren. Mit den hohen österreichischen Umweltauflagen und der breiten Teilnahme an freiwilligen Umweltprogrammen produzieren wir in Österreich Getreide mit höchsten nachhaltigen Qualitätsstandards. Wir arbeiten intensiv an einer Ausweitung des AMA Gütesiegels auch auf Getreideprodukte, um eine Win-Win-Situation für Produzenten und Konsumenten zu ermöglichen“, unterstrich der LKÖ-Ausschuss-Vorsitzende. Auf EU-Ebene setzt er sich als Österreichs LK-Vertreter im EU-Bauernverband COPA u.a. dafür ein, dass nach dem Vorbild der österreichischen Eiweißstrategie auch eine europäische geschaffen wird. Der Eiweiß-Selbstversorgungsgrad in Europa, insbesondere bei Soja, soll forciert und klimaschädliche Importe reduziert werden.

 

Umwelt und Wirtschaft Hand in Hand forcieren

Schmuckenschlager betont: „Wir brauchen geeignete politische und finanzielle Rahmenbedingungen sowie eine Vorbeugung und Anpassung an den Klimawandel – durch Anpassung des Kulturartenspektrums, Züchtung neuer Sorten und geeignete Sortenwahl. Außerdem gilt es, Bewässerungsmöglichkeiten und wassersparende, humusschonende und innovative Bewirtschaftungsweisen weiter zu forcieren. Gleichzeitig sollten wir aber auch alle anderen Möglichkeiten zur Absicherung von Produktion und Versorgung in Österreich nützen. Es ist wichtig, Umwelt und Wirtschaft gezielt unter einen Hut zu bringen und nachhaltige Effizienz zu fördern. Dabei können moderne Technik und Digitalisierung entscheidende Werkzeuge sein“, und sagt weiter: „Institutionen wie die LK-Technik Mold haben wichtige Aufgaben – im Zusammenspiel von Forschung, Entwicklung und Praxis sowie in der damit verbundenen Aus- und Weiterbildung. Hier werden innovative Techniken gemeinsam entwickelt, getestet und dann zusammen mit interessierten Bäuerinnen und Bauern ausprobiert.“

 

Pflanzenschutz: So wenig, wie möglich, so viel, wie notwendig

„Persönliche Beratung und online-basierte Tools zur Wissensvermittlung wie der LK-Warndienst helfen unseren bäuerlichen Familienbetrieben, noch einfacher zu Informationen über auftretende Schädlinge und Schaderreger zu kommen. Durch ‘Smart Farming‚ und ‘Precision Farming‚ kann der Landwirt Ressourcen wie Dünger und Pflanzenschutzmittel effizienter einsetzen. Teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmethoden ermöglichen eine dem Bedarf der Pflanzen entsprechende Ausbringung von Betriebsmitteln. Am Standort der LK-Technik Mold werden die neuesten Techniken getestet, auf Praxistauglichkeit geprüft und den Landwirten nähergebracht. Die Digitalisierung kann ihren Beitrag für nachhaltige und bedarfsgerechte Anwendungen im Ackerbau leisten. All diese innovativen, zielgerichteten Möglichkeiten sind geeignet, um Umwelt und Geldbörse gleichermaßen zu entlasten und punkto Klima- und Umweltziel-Erreichung voranzukommen“, so der LK NÖ-Präsident. „Der integrierte Pflanzenschutz mit unterschiedlichsten pflanzenbaulichen Maßnahmen wie Fruchtfolge, Sortenwahl und Nützlingseinsatz ist längst gängige Praxis und wird auf Basis neuester Erkenntnisse laufend weiterentwickelt. Nichts desto trotz sind entsprechende Pflanzenschutz- und Düngemittel weiterhin unverzichtbar für unsere Versorgungssicherheit.“

Hinsichtlich der Green Deal Ziele betonte Schmuckenschlager, dass es dringend notwendig ist, einige Punkte im derzeit vorliegenden Vorschlag zu prüfen und neu zu bewerten. Österreich hat seit 2011 bei chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln bereits 22% eingespart. Trotzdem sieht der Green Deal eine Reduktion von 50% bis 2030 vor. „Hohe Sorgsamkeit und Professionalität beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist natürlich oberstes Gebot – auch für die Zukunft. Ebenso garantieren die hohen Zulassungsstandards in der EU die Sicherheit der eingesetzten Pflanzenschutzmittel. Die letzten Jahre haben uns mit unterschiedlichsten phytosanitären Herausforderungen bei Raps, Kartoffel, Zuckerrübe und Körnererbse allerdings gezeigt, dass Versorgungssicherheit ohne vernünftige Werkzeuge nicht funktioniert. Immer mehr Mittel fallen weg. Wenn es keine vernünftigen Alternativen gibt, werden viele Ackerkulturen, aber auch Obst-, Gemüse- und Weinbau noch stärker unter Druck geraten – und somit auch Österreichs Lebensmittel-Versorgungssicherheit“, warnte der LK NÖ-Präsident. (Schluss)

 

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